Die schwarze Liste

Die schwarze Liste im Kopf, FAZ 14. 12. 2020, 11.


Dass es Hannah Arendt heute nicht erlaubt wäre, einen Vortrag in Deutschland zu halten, ist für die FAZ eine absurde Behauptung. So sehr gerade das Recht bestritten wird, sich auf Hannah Arendt zu beziehen, um die demokratische Unmüglichkeit des neuen Klimas zu beschreiben, so sehr muss dann auch selbst Susan Neiman, die Direktorin des Albert Einstein-Forums, die sich auf Hannah Arendt bezog, als Antisemitistin desavouiert werden. Wie zuvor schon Judith Butler, Achille Mbembe, so jetzt eben auch Frau Neiman. Ist das der neue Stil im FAZ.Feulleton? 

Ein Sturm zieht durch die Feuilletons der Republik und die politischen Spalten der europäischen Presse. Er trifft die gesamte europäische Kulturszene. „Die Antisemitismus Indusrie“ schägt zu und veranstaltet eine „Hexenjagd“ auf alle Momente und Personen des Widerstehens und der Kritik gegnüber der internationalen Politik Israels. In Deutschland, wird der Direktor des Jüdischen Museums in Berlin zum Rücktritt gezwungen, allein weil er Jerusalem als Heiligen Ort aller monotheistischen Weltreligionen darstellt. Ihm wird vorgeworfen, eine „historische Verfälschung“ zu betreiben, und die Bedeutung Jerusalms für Israel herunterzuspielen. Karrieren werden zerstört, Tagungen abgesagt, Redner, denen man „falsche“ Positionen anhängt, ausgeladen, Verbote ausgesprochen oder durch Selbstzensur zu umgehen versucht. Allein, wer irgendwie in den Ruch gerät, die Boykott-Bewegung (Boykott, Divestment, Sanctions) zu verteidigen, oder wer deutliche Kritik an der Staats-Politik Israels zu üben wagt, gerät in den Sog der „Antisemitismus Industrie“. Am Fall der Labour-Ausschluß-Beschlüsse in England lässt sich, besonders gut zeigen, was es heißt, unter die Räder dieser Machine zu fallen.

Wie in einem Beitrag im Counterpunch(16. 12.2020Antisemitism...) gezeigt wird,  hat nun auch selbst die israelieche Tageszeitung Haaretz auf die verheerende Wirkung dieser Verfolgungskampagnen aufmersam gemacht. Es geht nicht nur um die Provokation von Teilen der Öffentlichkeit, die sich zu wehren beginnt, sondern um die Förderung eines allegemeinen Verpöhnens von Kritik und Freier Rede, und dabei überhaupt und trotz gegenläufiger Behauptungen, um die Minimierung des kritischen Beitrags öffentlicher Diskurse zum Prozess der Zivilgesellschaft – ein Klima der Verdächtigung greift um.

Man fragt sich, was hätte Hannah Arendt heute denn vorzutragen? Wo fände sie den Boden für den weithin kursierenden Trend zum Totalitarismus. Es ist ja nicht nur, das BDS-Gebot des Bundestages. Der europäische Gerichtshof beraubt, eingedenk des modischen woke-Trends, den jüdischen und den muslimischen Religionsgemeinden eines über Jahrtausende gepflegten Identitäts-Ritus‘, mit dem das Blut-entleerte Fleisch als „rein“ gepriesen wird. Menschenrechtsfortschritte, gelten mehr! Wie? Welche? Wirklich?. Die terroristischen Grundzüge der Gründungsgeschichte des zionistischen Staates sind in Deutschland ein Tabu. Nur hatte sich Hannah Arendt zusammen mit Albert Einstein u.a. 1948 in einem ganzseitigen Poster der NYT dazu geäußert. Jetzt behauptet das Feuilleton der FAZ, kurz, dass das Arendt/Einstein-Statement von 1948 sich nur auf den terroristischen Haupttäter Menachim Beguin und seine Gruppe beziehe. Also soll der Leser annehmen, gewissermaßen als Warnung vor einer weitergehenden Beschäftigung mit diesem Text (wie lange war er quasi verschüttet...?), er wäre von Frau Neiman zu Unrecht eingebracht worden.

Dann, nimmt man sich die  „Aufkleber-Methoden“ der BDS-Bewegung vor. „Don’t buy“ wird jetzt ins Nazi-Deutsch übersetzt „Kauft nicht by Juden“. Es ist wahr, der südafrikanische Anti-Apartheit-Aufruf war mit seiner Bewegung erfolgreich. Wer die Berichte über Lebens-notwendige Ramallah-Jerusalem-Fahrten z.B. kennt, der kann es sich nicht verkneifen, hier anders zu urteilen, als von Insignien eines militärischen Apartheid-Regimes zu sprechen. Dass aber all dies mit den Grenzansprüchen Israels zu tun hat, mit der religiösen Staatsideologie, die in immer neuen Varianten militärisch-heroische Taten legitiert, das ist nicht die Sache der FAZ. Man kann zu Recht der Meinung sein, dass Hannah Arendt heute vielleicht anderer Meinung wäre. Vielleicht dürfte sie, auch diese, ihre Meinung, in Deutschlands öffentlichen Räumen noch vortragen. Wenn aber die israelischen Produkte, deren Herkunft aus den besetzten Gebieten nicht mehr angezeigt wird,  boykottiert werden sollen, ist man dann schon ein Shoah-Leugner, oder -Befürworter gar?

Ist es nicht so, dass das Netanjahu-Regime gerade die Grenzen des eigenen Staatsgebiets nicht (mehr) anerkennt (jedenfalls im Prinzip nicht, und schon gar nicht, wenn man die jüngsten Einschätzungen der Folgen der Anti-Semitismus-Maschine berücksichtigt (s.a. Haaretz; Jonathan Cook, Counterpunch). Wo immer von Israels Grenzen die Rede ist, dann ist eben auch das legitime Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel in Gefahr. Wo liegen hier die Grenzen? Kriege hin, Araber-Palaver her – es hat keinem der Nachbarn diesem Staat seit seiner Gründung auch nur einen Quadratmeter abzutrotzen vermocht.

Lassen wir die bekannten ausgrenzenden Attacken auf Achille Mbembe und Judith Butler bei Seite. 

Ein wichtiges Wort im offenen Brief, wie im Werk von Hannah Arandt fehlt hier: der Zionismus, den Hannah Arendt aus der Staatsgründung heraus, und schon lange bevor er zur offiziellen Staatsideologie erklärt wurde, kritisch für einen Grundstock des modernen Totalitarismus hält. Ja, wie haben sich die Zeiten geändert, mit der „Anti-Semitimus.Industrie“, ist es umgekehrt, die Zionismus-Kritik wird als totalitärer Anti-Semitismus und als Anti-israelisch verketzert. Wo bleibt der kritische Anti-faschistische Geist, den man seit den Frankfurter- und dem Eichmann-Prozessen, für den Grundpfeiler des deutsch-israelischen Verhältnisses gehalten hat? Arendt/Einstein attackierten Menachim Begin als Terroristen aber auch als Propagandisten eines falschen Zionismus. Die Wende, die mit AIPEC und Netanyahu einsetzte, kann man als das Füllhorn der gegenwärtigen globalen Krise bezeichnen. Das konnte Arendt so nicht voraussehen, wohl aber die negativen Folgen für die amerikanische und die israelische Demokratie. – und offenbar, wie in der FAZ beispielhaft gezeigt, auch für die deutsche.

 


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