Sorrentiner 4

VI

(Der Junge kommt zurück:)

 

Heh, Boy, hast du Deinen Weg noch immer nicht gefunden?

Hinaus aus diesem Lager!

 

Wer nimmt mich, Herr, ihr seid so sehr beschäftigt.

Und von den Vielen seh ich keinen, der bereit sei,

für mich zu sorgen und eine Herberge mir zu bieten!

 

Du kannst nicht hier sein in Nacht und Wind,

Und unter den Kohorten

Wie kannst Du Dich da schützen?

 

Herr, weist Du nicht, wie sich die Spatzen pipsend

Einnagen ins Nest zwichen Lehm und Holz

Ein schattiges Sonnenhaus, ich werd es finden morgen

Und wenn auch heute Nacht eher noch 

Der Ratten ich mich zu erwehren habe

Es kommt der Morgen und mit ihm das Licht, der Segen!

 

Hast Du nicht jene Frau gefunden, die Ägypterin mit

Rosa Wangen und blasser Stirn und wehend schwarzem Haar

Sie betrauert ihre verlorenen Kinder

Und fand mit dem Helden einen Platz am Steg

 

Nein, Herr, auch wenn ich sie gefunden hätte,

Ich könnte sie nicht stören, einheimeln mich an sie und sie an mich

Wo doch der Kupferne jetzt ihre einz’ge Hoffnung.

 

 

VII

(Ein Alter tritt auf, kommt hinter einer grünen Baracke hervor:)

 

Du trägst den Stab der Weisen

Und weiß ist dein Bart

Wie konntest du’s verstehn, in diesem Boot zu schwimmen?

 

Herr, wo ein starker Wille

Sich im schwachen Körper hält

Bricht sich das beruhigte Leben eine Bahn!

 

Muhammad, oder wie Du sonst auch heißt?

 

Was fragst du, Herr, wenn du’s schon weißt,

Und steht nicht dein Germanenstamm Dir längst schon im Gesicht

So kannst du den Koran doch nicht als Tuch der Tücher

Als Liebesschrift gar auf die Brust Dir setzen!

Du scheutest Dein Poetentum nicht und nicht die Gunst der Weiber

Wenn du doch weder fromm noch guten Muts die Welt berührtest

Verrat und Raub Dir auf den Rücken schreibst

Das Ischk-Nameh in Fetwa tränkst

Und Hungeropfer pflegst!

 

Wo ist das Opfer, von dem du sprichst, dein Wort`?

 

Dem Dichter sei verziehn, doch nicht der schlechten Absicht

Der Technik Abgrund, dem Mißbrauch unsrer Frau’n

Habt ihr nicht so uns längst beäugt mit Opern und Poetentum!

 

Ich muss es gestehn

Es sprach der Neid aus meinen Augen, als ich den Freund,

den Alexandriner sah, und wie er mir half, dem Ethnologen

Mit fliegend schwarzem Haar und seiner Liebsten strammem Nackenknoten

Im MG-Sport mit offenem Verdeck im Winde der Corniche

Liebe im Meer, als alle aufbrachen zu neuen Zeiten, ... ma Belle

Im neuen Rythmus, endloser Melodien... wir Brüder alle..

Güldner Wellen Funken und kam’s nicht anders

Das gleiche Rollen des Hasses und des insgeheim andern Gottes

Oh muss ich nicht den frühen Tod des Freunds beklagen

Und die Nach-Vermählung im Familienrat der neuen Religion   

Doch jetzt, tritt näher Alter, wagst Du’s nicht?

Erzähl mir was von den Wellen deiner Träume,

Über der See des Meeres und den silbernen Blumen,

Die der versprühende Eisberg Euch ließ?

 

Herr, was dichtest Du?

 

War nicht alles ein Rausch, in dem die Arktis und der Sonnenschein

Zu neuen Pfaden sich, zu neuen Straßen, silberenen Landschaften zu verschmelzen begannen?

 

Herr, ein Leiden war’s und wer, wer könnte, wenn er’s je erlebte in Engelszungen so schön lügen?

Wahr ist’s, es war ein ewiges Wachen und Schlafen, aber die Bilder fluteten nicht, und wenn sie Passierten, waren sie im nächsten Moment schon weg. Wir spürten nichts mehr und als würden wir im Wadschd den Blitzschlag Gottes neu erfahren

Gesegnet als wären wir schon Selige dem Gott uns nähern ,

Schwankten wir im Kopf rotierend, ans Boot gefesselt und fielen in die unpassable Stille, als wärs in einem bogenhaften Tunnel unter grüner Erde.

 

Das hört sich gut an, es ließe sich den Meistern gut verkaufen!

Als die innere Erfahrung , jedenfalls kein Aufstand

Widder die Gemütlichkeit des Abendlands,

Wie eure Bauern ihn vor Zeiten losgetreten.

Aber ich muss hier die Fragen stellen!

 

Soviel Ihr wollt, denn Zeit ist uns gegeben

 

Ich muss Sie fragen, weiser Kopf

Und habt keine Angst, vor Eurem hohen Stab

Werd‘ ich nicht buckeln.

Ich muss so quer Sie fragen,

Doch steht‘s im Questionaire,

Für den Fall des Einen, der es erlaubt,

Wie steht’s, wie wird man weise in dem Land der Weisen?

Und bleibt doch immer fair?

 

So viele Pfade gibt’s, so viele Antworten

Ein Fellache, der in den Samen seiner Ernten liest

Und in dem einen Buch der Bücher, bescheiden wird er reich

An Gott und seinen Gütern

Und reicht’s auch an die Menschen weiter

Und haben Eure Väter nicht das schöne Wort

Vom Sine-ira-et-studio, ohne Zorn und Eifer zur Sache finden, gefunden

Wir nennen’s zwischen beiden Seiten streben?

 

Nein, Herr, es kämpft und streitet auch bei uns der bestrebte Schüler

Trägt stabelweise Bücher unterm Arm

Verrängt sich Hals und Beine, verbiegt die Menschen

Mit der Dauerschlinge um die Finger,

Der Peitsche endlosen Gebets in Sturm und Frömmigkeit

Er hat nur eins, die Waffe eines stumpfen Gasts,

Mit ödem Blick die andern zu beäugen

 

Nein, möcht ich Dich fragen, gibt’s nicht auch die Schulen?

 

Herr, ich sagt es doch, sie sind so nutzlos wie die Zahlen

Hoch und runter in der Konklusion von Verlust und Gewinn –

Das Zauberwort von der Kalkulation, das gibt es auch bei uns –

Aber wer, Herr, wer kann

Wenn’s sein muss

Mit diesem body count noch leben?

Der Kalmäuser, der arme Schlucker, nur er ist glücklich,

Der’s nicht wahrnimmt!

Ich steh‘ darauf: allein die Sykomore bringt’s, das leise Sitzen unterm Baum

Und kugelschwarzes Leuchten im weißen Licht

Der Augen!

 

So soll die Welt zurück zum Mythos der Natur?

 

Mein Herr, ich sagt es doch, nein, nicht zurück, dahin!

 

Und schreib ich Dir, Muhammed, an Dich, den mit dem weißen Bart

Brich mit dem langen Stab mir nicht den Rücken,

Denn ohne Mufti’s Wort hab ich im Wüstensand die Frau berührt

Beschützt von Sternen klar und sanft

Und der goldenen Starre des Monds!

 

Der Mufti wird‘s verzeihen, die Migrantenmeister nicht

Noch schlimmer die Migrantenpriester, sie nennen es Verrat an Rationality and Reason

 

Die Tat sei Dir verziehen, doch nicht das Gedicht

Herr, was sollen solch falsche Bekenntnisse?

Frag, was Du zu fragen hast!

 

Wie würdet Ihr in Frieden mich,

Aufnehmen bei Euch, käm ich denn jetzt, der Not entfliehend,

Mit weißem Boot an Euren Stränden an?

 

Ich weiß es nicht, Herr, der Möglichkeiten sind viele

Wo Dürre und Beschränktheit der Natur, herrscht große Armut

Und Raub und Raubgut suchen, wird sie nicht bestrafen,

Nur einer, Gott hat es verboten.

Doch, möglich ist‘s, dass kreuzest Du den Weg von einem

Der Mensch ist unter Menschen, und im Geiste Gottes

Und möglich ists, er wird Dir helfen und aus den Fluten

Fischen Dich und sorglich Herberge Dir bieten und Dich pflegen.

Und möglich ist‘s, an seiner Weisheit wirst Du Dich ernähren

Und neues Leben, neuer Geist wird Dich beflügeln.

Nichts wirst Du vergessen

Und teilen wirst Du den Blick mit Ihm in der untergehenden Sonne

Und die Sehnsucht wird bleiben, nach dem andern Ufer im Westen.

 

 

VIII

(Boy, der Junge kommt mit der geretteten Frau an der Hand)

 

Boy, wen führst Du an der Hand

Die süße Frau mit schwarzem Haar?

Die Braut des kupfernen Helden ?

 

(Sie gehen schweigend weiter.)

 

 

IX

(Sprachlos wandelt ein junges Mädchen über die Szene)

 

Girl, wie gehst du so allein?

 

(Weiterhin sprachlos davon)

 

 

X

(Hinterher ein anderer Junge, mutig auf den Laptop zeigend:)

 

He, Weißhemd Du, mit der Maschine in der Hand,

Ist das, was ist? Und was versprochen ist uns in der Welt?

 

XI

(Mutter des Boy, schwebt schweigend als schwarze Madonna gekleidet in weißem Schleiergewand!)

 

 

(Ende Erster Teil)


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